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Einsamkeit macht depressiv

Die Nachbarschaftshilfe Kolbermoor bietet einen Besuchsdienst für ältere Menschen an,

die sich einsam fühlen. Doch Leiterin Gabriele Endter weiß auch, warum die Hemmschwelle,

nach Hilfe zu fragen, oft zu hoch ist. Wieso es immer mehr Einsamkeit gibt und was dagegen hilft.

VON NICOLAS BETTINGER

Menschlichkeit und Gemeinschaft sind nicht nur Schlüsselbegriffe für die Nachbarschaftshilfe, sondern auch für

Kolbermoor— Der Partner ist gestorben, die Kinder leben außerhalb, der Kontakt zu verbleibenden Angehörigen reißt langsam ab.

Die Gründe für Einsamkeit sind vielfältig. So ist diese in den vergangenen Jahren zu einem

sozialpolitischen und gesellschaftlichen Thema geworden. Denn auch wenn von Einsamkeit laut einer

Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Personen Über 75 Jahren am

stärksten betroffen sind, zeigt sich das Phänomen längst über alle Alters- und Bevölkerungsgruppen

hinweg.

,,Einsame Menschen werden immer mehr“

Die Ergebnisse des ,,Einsamkeitsbarometers“ für Deutschland zeigen gar, dass sich Einsamkeit negativ

auf die physische und psychische Gesundheit auswirkt. ,,Einsamkeit macht depressiv“, drückt es Gabriele

Endter deshalb noch drastischer aus. Die 78-jahrige Kolbermoorerin hat es sich persönlich zur Aufgabe

gemacht, Menschen, die in Kolbermoor unter Einsamkeit leiden, zu unterstützen.

Endter, die 20 Jahre lang Geschäftsführerin der Nachbarschaftshilfe Kolbermoor war, leitet den vor

mehreren Jahren gegründeten ehrenamtlichen Besuchsdienst. Ein Angebot, bei dem ehrenamtliche

Helfer kostenlos bei Senioren zu Besuch kommen, mit ihnen gemeinsam spazieren gehen, Spiele spielen

einen Tee trinken, etwas vorlesen oder sich einfach nur unterhalten. ,,Gerade im Alter gibt es genügend

einsame Menschen, und sie werden immer mehr“, sagt Endter gegenüber den OVB-Heimatzeitungen

und verweist auch auf die veränderten Wohn- und Lebenssituationen. So gebe es immer mehr Single-

Haushalte und nicht jeder habe das Glück, im Alter im Kreise seiner Familie leben zu können.

,,Außerdem will die ältere Generation einfach oftmals gerne im gewohnten Wohnumfeld bleiben“, sagt

Endter. Und das Alleinsein ist nun in der dunklen Jahreszeit und auch im Vorfeld vor Weihnachten,

,,in der Zeit der Trauer, der Erinnerungen“, besonders hart, betont die Leiterin des Besuchsdienstes.

Genau deshalb wolle man nun wieder verstärkt auf das Angebot, das derzeit einige Senioren in Anspruch

nehmen, aufmerksam machen.

Problem dabei: Die Hemmschwelle, nach einem solchen Hilfsangebot überhaupt zu fragen, sei bei vielen

älteren Menschen noch sehr hoch. ,,Zum einen haben viele gewisse Ressentiments gegenüber Fremden

sagt Endter. Zum anderen sei es die Generation gar nicht gewöhnt, sich helfen zu lassen. ,,Manchmal

muss man diesen Menschen dann erst sagen: ,Sie haben Ihr ganzes Leben lang gearbeitet, jetzt dürfen

Sie sich mal helfen lassen“ Deshalb helfe es auch, dass oftmals die Angehörigen, meist die Kinder von

einsamen Senioren, auf die Nachbarschaftshilfe zugehen.

Und wenn sich die Klienten dann doch dazu entschieden haben, den ehrenamtlichen Besuchsdienst in

Anspruch zu nehmen. ,,dann bekommen wir meist eine unglaubliche Dankbarkeit entgegengebracht“,

erklärt Gabriele Endter. Einige würden es genießen, einfach jemanden zum Reden zu haben. Andere

freuten sich, nicht nur den Pflegedienst ab und an zu sehen. Allen Interessierten möchte sie deshalb

auch die Sorgen nehmen. „Die Ehrenamtlichen sind entsprechend geschult und wir schauen natürlich

auch, dass es für beide Seiten passt.“

Die Kolbermoorerin sieht sich als Schnittstelle zwischen Helfern und Klienten. Beide Seiten betreut sie,

führt regelmäßige Gespräche und kümmert sich um die beste Lösung.

Klar ist: Die Treffen sollten regelmäßig stattfinden, etwa jede Woche oder alle 14 Tage. Unter den derzeit

sieben Ehrenamtlichen, so Endter, gebe es Berufstätige und Frauen im Ruhestand. Durch den recht

geringen Zeitaufwand, beispielsweise zwei Wochenstunden, sei die ehrenamtliche Tätigkeit für nahezu

jeden Alltag gut planbar.

Und da der Bedarf unter den vereinsamten Menschen stetig wachse, hofft Endter auch auf weitere

interessierte Ehrenamtliche. ,,Die Erfahrung zeigt, dass diese Treffen auch unseren ehrenamtlichen

Helfern eine Menge zurückgeben“, so die Leiterin. Diese würden den älteren Menschen ihr kostbarstes

Geschenk bieten: ihre Zeit. ,,Zeit für verständnisvolles Zuhören, Zeit, um alte Menschen in ihrer

momentanen Situation zu stärken, Zeit, den Alltag ein Stückchen zu erleichtern.“

Der ehrenamtliche Besuchsdienst in Kolbermoor

Dieser Artikel (ID: 2162855) ist am 02.11.2024 in folgenden Ausgaben erschienen: Mangfall-Bote (Seite 14).