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Der Verein Nachbarschaftshilfe Kolbermoor wird 35 Jahre – Breites Angebot

Im Einsatz für die Nachbarschaftshilfe Kolbermoor: (von links) Irmengard Oeßwein (Pflegefachkraft), Natalja Krause (Pflegedienstleitung), Geschäftsführerin Gertraud Schiffer und Gabriele Endter (Vorstandsmitglied). Foto Weinzierl

Wenn Hilfe benötigt wird, sind sie da

Kolbermoor – An eine Begegnung kann sich Gabriele Endter, Vorstandsmitglied des Vereins „Nachbarschaftshilfe Kolbermoor“ noch ganz genau erinnern:

Eine hochbetagte Frau fristete in einer kleinen Kammer auf einem Bauernhof ihr Dasein. Es fehlte an allem: an Bettwäsche, an Nachtwäsche. Die Nachbarschaftshilfe erfuhr von den Nöten und Endter krempelte die Ärmel hoch: Das Team fuhr hin, kümmerte sich, besuchte die Frau, die bis dato bettlägrig war. Ihr größter Wunsch war, ihre Kühe zu besuchen, die gleich um die Ecke im Stall standen. Auch diesen Wunsch konnte das Team der Nachbarschaftshilfe erfüllen. Mit einem Wägelchen brachten sie die Altbäuerin zu ihren Tieren.

1986 nahm Verein seine Arbeit auf

Das ist nur eine Erfolgsgeschichte des Vereins, der Anfang Juni 1986 gegründet wurde. Mit dabei waren Heidemarie Hassmann und Christa Behounek aus Kolbermoor sowie Wine Schaer aus Ostermünchen und Walburga Lämmlein aus Rott und die Kolbermoorerin Maria Elisabeth Martin. „Daran kann ich mich noch genau erinnern“, so Martin, die seither dem Verein die Treue hält. Das Ziel der ersten Stunde: „Alten und kranken Menschen zu helfen.“

Zunächst im
gesamten Altlandkreis

Zunächst agierte der Verein, der damals Glonn-Mangfall-Jenbachtal“ hieß, im Altlandkreis, eine Handvoll Ehrenamtliche versorgten Hilfebedürftige sogar in Bad Feilnbach, Tuntenhausen, Ostermünchen und Glonn. „Die Anfänge des Pflegedienstes erinnern an die Arbeit der früheren Gemeindeschwestern, die ohne Zeitlimit und mit viel Geduld die Senioren versorgten – die Not war damals groß“, so Endter. Angesiedelt war die Initiative aber immer in Kolbermoor – zunächst in einem Büro an der Friedrich-Ebert-Straße, jetzt an der Rosenheimer Straße. In anderen Kommunen wurden ebensolche Initiativen gegründet, sodass sich der Verein über die Jahre in „Nachbarschaftshilfe Kolbermoor“ umbenannte und auch ausschließlich dort agierte. Fotos aus den Anfangsjahren gibt es keine, so Endter. Aber jede Menge Ordner – voller Unterlagen, Zeitungsartikel. Quasi ein kleines Mini-Archiv der Nächstenliebe. „Wenn man heute die Dokumente und die Buchführung der letzten 35 Jahre anschaut, lesen sich die Briefwechsel mit den Krankenkassen wie aus einer anderen Welt“, so Endter. „Der Büroalltag veränderte sich rasant. Die Sozialgesetze wurden geändert und bis heute ist das Gesundheitswesen von Auflagen und Bestimmungen dirigiert, die oft an den wahren Bedürfnissen der Menschen vorbeigehen.“ Und das ist ihr wichtig: „Wir sind mehr als ein Pflegedienst. Wir müssen bei den Senioren nicht auf die Minute schauen, dauert es etwas länger, können wir das durch Spenden abfangen.“ Dem stimmt auch die Geschäftsführerin Gertraud Schiffer zu.

Bei der Seniorenarbeit blieb es nicht. Um 1990 wurde auch eine Hausaufgabenbetreuung angeboten. Daran kann sich Endter noch genau erinnern: Und bis heute winken ihr ihre einstigen Schützlinge auf der Straße zu. Sie haben heute längst selbst Kinder, sagt Endter und lächelt. 2001 war mit der Hausaufgabenbetreuung Schluss – durch neue Gesetze übernahmen die Schulen diese Aufgabe.

Demenzhilfe und „helfende Hände“

Ins Leben rief der Verein auch die „Demenzhilfe Kolbermoor“ sowie mit den Kolbermoorer Kirchen einen Besuchsdienst. Zehn Ehrenamtliche sind im Einsatz und besuchen einsame, ältere Bürger. Sie trinken Kaffee, ratschen – ein Angebot gegen die Einsamkeit. Allerdings wurde dieses Angebot durch Corona nahezu auf null gefahren, denn Besuche waren ja nicht mehr möglich, so Endter. So griff man zum Telefon. „Aber das ist ja nicht dasselbe.“ Und deshalb sollen die Besuche auch bald wieder starten.

Ebenso das Gedächtnistraining. „Viele fragen mich, wann es wieder losgeht, aber Corona hat wirklich alles zum Erliegen gebracht“, sagt Gertraud Schiffer, die das Training anbietet. Starten soll auch der Betreuungsvormittag für Demenzkranke. Wann die Angebote allerdings beginnen können, steht noch nicht fest.

Umzug zu Beginn
des Jahres geplant

Der Verein hat auch „Die helfende Hand“ ins Leben gerufen. Dieses Angebot richtet sich an Senioren, die durch das Raster der Pflegeversicherung oder der Sozialhilfe fallen, erklärt Endter.

Diese Menschen werden durch Spenden und Mitgliedsbeiträge unterstützt. Ende des Jahres heißt es Umzugskartons packen: Denn der Verein verlässt die Räumlichkeiten an der Rosenheimer Straße. Anfang des Jahres soll der Verein in die frisch sanierte St.-Anna-Apotheke umziehen. Und dort wird der Verein weiterhin menschliche Geschichte schreiben – für die Kolbermoorer.

„Stabiler, sozialer Faktor, der sich gut in das gesellschaftliche Leben einbringt“

Nikolaus Kannengießer, Vorsitzender des Vereins: „Der Verein ist besonders wichtig, da wir die Einzigen sind, die zur Ambulanten Pflege auch einen Verein haben. Wir haben viel auf den Weg gebracht, wie gemeinsam mit den Kirchen den Besuchsdienst und die ,helfenden Hände‘. Da konnten wir schon viele Menschen unterstützen.

Wichtig war auch, dass wir die Entwicklung gemeinsam mit der Stadt zur demenzfreundlichen Stadt realisiert haben. Diese Angebote sollen auch weiter ausgebaut werden. Wir wollen nach dem Umzug in die St.-Anna-Apotheke wieder vermehrt Treffen anbieten – auch mit Fachpersonal.“

Maria Elisabeth Martin, Kassenprüferin und Mitglied der ersten Stunde: „Ganz am Anfang habe ich mal als Haushaltshilfe ausgeholfen, später auch die Buchhaltung gemacht – das dicke Buch habe ich heute noch vor Augen. Der Verein ist so besonders, weil er einer der ersten war, der die Pflege zu Hause angeboten hat. Damals war das ja alles noch ehrenamtlich. Aber das war irgendwann nicht mehr zu stemmen.

Mir gefällt besonders, dass er nicht so schnell gewachsen ist – das macht ihn menschlich und nicht so kommerziell. Man kann hingehen und bekommt Auskunft – ganz unkompliziert.“

Dieter Kannengießer, Zweiter Bürgermeister, in Vertretung von Rathauschef Peter Kloo, der im Urlaub ist: „Der Verein ist ein stabiler, sozialer Faktor, der sich gut in das gesellschaftliche Leben einbringt. Hervorzuheben sind die vielen kostenlosen Angebote, wie Besuchsdienst oder das Gedächtnistraining, das mithilfe von Ehrenamtlichen angeboten werden kann. Menschlichkeit wird hier großgeschrieben durch die Angebote von ,Face to Face‘.

Man ist hier nicht nur eine Nummer. Obendrein erhält der Verein mit dem Umzug in das St.-Anna-Apotheken-Gebäude einen prominenten Platz. Vor allem in einem Bereich, der sozial stark geprägt ist mit dem BRK und der Rettungswache.“